Sehr geschätzte Mitglieder des Forums,
ich möchte hier meine Erfahrungen mit einem bestimmten A/T Reifen mit Euch teilen, falls das interessant und relevant sein sollte.
Ich war in meinem "1. Leben" 15 Jahre Offizier bei der Luftwaffe. Seit über 15 Jahren arbeite ich als Fotograf und Filmproduzent, Kreativdirektor & Markenplaner für KMU sowie als ehrenamtlicher Hochschuldozent City of Glasgow College, und lebe hauptsächlich in der Schweiz, teils auch in Deutschland und Schottland.
Als 2021 die Flutkatastrophe über das Ahrtal hereinbrach, organisierte die Veteranenbewegung exzellent koordinierte und engagierte Hilfe von ihrem Hauptquartier in der Grundschule Ahrweiler aus- welches später von der Polizei geräumt wurde- aber das ist ein anderes Thema.
Für mich war damals sofort klar, dass auch die Helfer Hilfe benötigen. Damals hielt ich mich in Bayern auf, und startete meine Spendenaktion "Hilfe für Helfer"- und es war schon eindrucksvoll, wie H4-Empfänger und durch die C-Massnahmen in die Insolvenz getriebene Unternehmer Geldmittel aufbrachten, um zu helfen:
Mit voller Ladefläche und einem (gespendeten) 2-Achs-Anhänger voll beladen fuhr ich mit meinem Amarok (Bj 2017, V6 Liberty) nach Ahrweiler,
Leider stand mein Amarok damals noch auf Strassenreifen auf den Original-19" VW Felgen. Das Fortkommen ausserhalb der Stadt, weiter ins Tal hinein gestaltete sich als schwierig, und irgendwann als unmöglich. Die Güter erreichten ihren Bestimmungsort, aber angenehm war das nicht. Ich habe zwar eine umfassende Geländefahrausbildung beim Militär absolviert, aber wenn die Reifen schlecht sind, ist irgendwann Schluss.
Also mussten A/T Reifen her, und zwar, wenn möglich, solche ohne Stärken - aber auch ohne echte Schwächen, und sie sollten im Winter nutzbar sein. und dann lief mir der aktuelle Hankook Dynapro AT2 RF11 über den Weg.
Ein eher preiswerter Reifen - zumindest im Vergleich mit den Platzhirschen.
Ohne Erwartungen - oder besser, in Erwartung eines Fehlkaufs - liess ich diese Reifen auf die 19" Felgen (255-55-19) montieren, wie gesagt, die Investition hielt sich ja in Grenzen.
Mein Nutzungsprofil: Das Fahrzeug wird für Film- und Bildproduktionsarbeiten im Auftrag der MEM-, Hochbau- Tiefbau- und Schwerindustrie genutzt. Das bedeutet, 90% Strasse, das Fahrzeug muss in Tiefgaragen und Parkhäuser selbst mit 1.95m Einfahrthöhe passen, Steinbrüche, Kiesgruben, Rohstoffgewinnungs- und Baustoffaufbereitungsanlagen / Orte, Baustellen aller Art, abenteuerliche Orte abseits der Strassen zur Erlangung spannender Perspektiven- also 10% teils sehr abenteuerliches offroad. Fahrleistung ca. 20.000km im Jahr, viel Autobahn und Langstrecke.
Trockene Strasse
Nachdem die Reifen drauf waren fiel sofort auf, dass weder in Sachen Geräuschentwicklung noch in Sachen Vibration etc. ein echter Unterschied zu den Strassenreifen davor bestand. Das hat angenehm überrascht. Selbst bei höheren Geschwindigkeiten (160-180km/h) war das ein enorm sicheres und angenehmes Fahrgefühl auf trockener Strasse.
Schnelle Kurven auf trockener Strassen fühlen sich leicht schwammig an, aber es ist ja auch kein Rennwagen, und allzeit angepasste Geschwindigkeit versteht sich ja von selbst.
Im Bremsverhalten auf trockener Strasse meine ich zu bemerken, dass das ABS etwas früher kommt als bei Strassenreifen, aber das Bremsen, auch aus höherer Geschwindigkeit, fühlt sich sicher und kontrolliert an, der Bremsweg scheint minimal länger zu sein als bei den Continental Strassenreifen die vorher drauf waren.
Nasse Strasse
Aquaplaning ist bei den Reifen kaum ein Thema. Selbst tiefes Wasser auf der Strasse (grosse Mulden mit ca. 6cm Wasserstand)in welche mit 120km/h hineingefahren wird fühlen sich völlig ok an, da schwimmt nichts auf, alles ist gut kontrolliert.
Beim Bremsen fühlt man jetzt deutlich dass das ABS schneller kommt als beim Strassenreifen, der Bremsweg ist länger, aber nichts was Anlass zur Sorge gäbe- das hält sich alles in einem normalen Rahmen, zumal man ja bei Nässe mit einem schweren Fahrzeug und solchen Reifen eh vorsichtiger und langsamer unterwegs ist.
Kurvenfahrt bei Nässe - hier zeigen sich jetzt grosse Unterschiede zum Strassenreifen und zur trockenen Fahrbahn:
Schnelle, etwas engere Kuven, und das Fahrzeug neigt deutlich zum untersteuern - allerdings war bei diesem Test auf dem gewählten (nicht für den Verkehr freigegebenen Streckenabschnitt) eine noch relativ frische Deckschicht verlegt, und die Erstabstumpfung des Belags war noch nicht so wie sie sein sollte- auf Deutsch, die Fahrbahn war generell nicht super griffig.
Bei Nässe heisst das für mich: Fuss vom Gas, und gemütlich in Kurven hinein- ein normaler Kompromiss.
Offroad
Das Offroad-Verhalten lässt sich schwer beschreiben. Ich habe das Fahrzeug in den Alpen bei Starkregen auf steilen, durchnässten, matschigen, teils schlammigen, losen Schotterwegen mit engen Kurven etc. genutzt, durchnässten Wiesen und Waldwegen, sowie auf steilen Wegen trocken wie nass in Steinbrüchen. Das war jetzt weit entfernt von echtem hardcore offroad, das ist mir klar, aber die Traktion, Seitenführung und Bremsverhalten waren stets vorhersehbar, sicher, und es gab nicht eine Situation in der man das Gefühl hatte, der Reifen wäre so langsam mal überfordert. Das war ein ganz sicheres Fahren mit nur maximal 300kg Zuladung hinten drauf, sehr vertrauenerweckend und mit top Grip.
Winter
Hier waren die Erwartungen gering.
Als es Ende November 2023 zu diesem heftigen Wintereinbruch kam, hatte ich 1 Woche Urlaub im Harz geplant- und ich liess die Reifen absichtlich drauf und wechselte nicht auf die 17" Felgen mit den Bridgestone Winterreifen, mit denen ich extrem happy bin sonst (und die ich eigentlich im Winter nutze, weil auf denen Schneeketten erlaubt sind im Gegensatz zu den 19" Rädern).
Im Harz angekommen kam es dann knüppeldick- Strassen zugeweht mit Eis drunter, tiefer lockerer Schnee überall und davon richtig viel- herrlich, ich liebe Winter. Aber was können die Reifen?
Hier kam jetzt die dicke Überraschung:
Auf der Strasse, festgefahrener Schnee, manchmal bisschen Eis drunter, oft auch Matsch- das Fahren und die Seitenführung ind Kurven- irgendwie war da kein Unterschied zum richtig guten Winterreifen. Das war super sicher, fühlte sich gut und vertrauenerweckend an, guter Grip, ganz sichere Sache. Nur die Übertragung der Bremskräfte- wie bei nasser Strasse - war anders. Die Reifen blockierten beim Bremsen fühlbar früher als beim WR, und der Bremsweg war ebenfalls fühlbar länger- hier war also Vorsicht geboten, aber sonst war das Fahrverhalten überraschend gut- und typisch Harz, sowohl kurvenreich steil bergauf als auch bergab.
Winter-Offroad
Nun war das so ein gutes Erlebnis selbst durch matschige, tief verschneite Strassen im Harz, dass ich, auch auf die Gefahr hin mich festzufahren, ausprobieren wollte, wie weit man es im Winter treiben könnte- allerdings dennoch in vernünftigen Grenzen, also auch hier weit entfernt von echte hardcore offroad.
Zum einen durfte ich ein Waldstück befahren, welches knietief eingeschneit war- der tiefe, lockere Powder lag wohl auf einem Weg, der eine leichte Eisauflage auf der obersten Kiesschicht hatte, und darüber lag festgesetzter Schnee, und der Weg war steil. Das war dann schon sehr beeindruckend, wie das unbeladene Fahrzeug da hochgezogen ist, durch die engen Kurven des steilen Weges, ohne fühlbares Durchdrehen der Räder oder seitliches wegrutschen. Das war richtig gut, und das hatte ich so nicht erwartet. Noch viel mehr Winter ging ja nicht- dachte ich.
Der anwesenden Grundbesitzer (mit Traktor) fand das ziemlich cool, und meinte, ein Teil eines Feldweges der ihm gehöre, und der rampenartig steil über 30m nach oben auf einen Versorgungsweg führt, wäre hart vereist mit rauem Eis und einer lockeren, dünnen Schneewehe drauf- ob ich das mal versuchen wolle aus dem Stand- wenns nichts wird, zieht er mich raus.
Aber das war nicht nötig. Selbst auf diesem Untergrund war ein sicheres Anfahren und eine erstaunliche kontrollierte und sichere Bezwingung der "Rampe" möglich.
All dies erfolgte unbeladen, mit nur 2 Personen im Fahrzeug, vollgetankt.
Abnutzung
Die Reifen wurden immer ohne Anhänger gefahren, Fahrprofil gemäss oben stehenden Angaben, 90% Strasse davon 60% Autobahn Langstrecke mit maximal 2 Personen und 300kg Zuladung). Luftdruck kontrolliere ich 2x im Monat und fahre den von VW empfohlenen Druck, im Sommer plus 5%, im Winter minus 10%.
Die Räden kamen am 23. März 2023 bei 127.000km und mit 9mm Profil auf das Fahrzeug.
Hankook gibt an, dass bei 60.000 Meilen / 95.000km noch 2/32 Inch garantiert werden- das wären, wenn ich nicht falsch rechne, 1.6mm Restprofil nach 95.000km.
Meine Reifen haben heute, bei 149.000 km noch 8.1-8.2 mm.
Ich halte diesen Wert für akzeptabel, wäre aber über Meinungen von kompetenteren Mitgliedern des Forums dankbar.
Fazit
Ich bin für meine Anwendung extrem happy mit diesem Reifen, den ich auf 19" VW Felgen in Grösse 255/55/19 fahre. Er fährt sich auf der Strasse leise und angenehm und sicher, egal ob trocken oder nass.
Im Winter bringt er eine ganz erstaunlich gute Performance, die ich nicht erwartet hatte. Auch für "richtigen" Winter (und Dank 3PMSF Symbol) kann er problemlos verwendet werden.
Dürften auf den 19" Felgen Schneeketten verwendet werden, dann würde ich nicht mehr auf Winterräder wechseln.
Wenn, wie in meinem Fall, 80% Strasse, und 20% offroad gefahren wird, und das offroad aus Baustellen, Steinbrüchen, Kieswerken, nasse oder auch schlammige Schotterpisten in den Alpen besteht, dann leistet er gute Dienste. Eine Steigerung des Verbrauchs habe ich festgestellt im Vergleich zu Strassenreifen- irgendwo im Bereich von ca. 0.2L/100km.
Der Verschleiss ist meiner Ansicht nach sehr akzeptabel.
Der Reifen hat zudem ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis.
Ich kann ihn nach 1 Jahr klar weiterempfehlen.
(Disclaimer: Ich bin weder Angestellter von Hankook noch habe ich irgendwas mit der Firma zu tun, noch erhalte ich für die Abgabe meiner subjektiven Meinung Vergünstigungen oder Vorteile)